Das Bundesteilhabegesetz ist notwendig, damit wir vom Ansatz der Fürsorge wegkommen hin zu gesetzlich verankerter Teilhabe und Selbstbestimmung. Menschen mit Behinderung sollen nicht abhängig und alimentiert sein - es geht um Ansprüche und Rechte. Die Intention des Gesetzes ist völlig richtig; diesen Schritt zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention brauchen wir dringend.
Aber so, wie der Regierungsentwurf es momentan vorsieht, geht es nicht. Das Diakonische Werk Hamburg und seine Mitglieder lehnen das BThG in der vorliegenden Fassung ab.
Die Schnittstelle zwischen Eingliederungshilfe und Pflegeversicherung, ist rechtssicher und streitfrei zu gestalten, damit die Menschen Leistungen aus beiden Systemen im jeweils erforderlichen Umfang erhalten.
Künftig sollen die Leistungen der Pflegeversicherung und die Teilhabeleistungen der Eingliederungshilfe abhängig davon gewährt werden, wie und wo die Betroffenen wohnen und ob sie erwerbstätig sind oder nicht. Das ist hochproblematisch, denn das kann bedeuten, dass Menschen mit Behinderung entweder notwendige Leistungen nicht mehr bekommen oder umgekehrt in die Pflege gedrängt werden.
Für Menschen mit Behinderung wird es schwieriger, in einer eigenen Wohnung zu leben. Bei ihnen hat zukünftig die Pflege Vorrang vor Teilhabe – es sei denn, die betroffene Person kann nachweisen, dass bei ihr Teilhabeleistungen Vorrang haben. Damit droht für sie ein endloser Streit darüber, wann genau das der Fall ist.
Wenn ein Mensch mit Behinderung zum Beispiel abends ins Kino möchte und dabei Unterstützung braucht, dann hat das mit Pflege nichts zu tun, dazu braucht er Teilhabeleistungen – die er aber nicht bekommt, weil ja die Pflege bei ihm Vorrang hat. Das fällt dann weg. Wer vorrangig Teilhabeleistungen braucht, müsste also aus ihrer eigenen Wohnung in eine stationäre Einrichtung der Behindertenhilfe ziehen. Das schränkt aber das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderung ein und widerspricht fundamental dem Grundgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention.
Die Hamburger Behindertenhilfe hat ihre Leistungen in den letzten Jahren grundlegend neu aufgestellt. Der sogenannte Ambulantisierungsprozess hat dazu geführt, dass die überwiegende Mehrheit der behinderten Menschen im eigenen Wohnraum wohnen. Die Hamburger Entwicklung gilt bundesweit als beispielhaft.
07. November 2016