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Die fünf Leitsätze der Charta

Die fünf Leitsätze der Charta drehen sich zentral um die Bedürfnisse der betroffenen Menschen. Sie befassen sich mit den gesellschaftlichen Herausforderungen, den Anforderungen an die Versorgungsstrukturen, der Aus-, Weiter- und Fortbildung, den Entwicklungsperspektiven als auch der Forschung sowie der internationalen Dimension. Die Leitsätze im Originaltext finden Sie hier. Was bedeuten Sie im Einzelnen?

Leitsatz 1: Gesellschaftspolitische Herausforderungen – Ethik, Recht und öffentliche Kommunikation

Jeder Mensch muss darauf vertrauen können, dass er in der letzten Lebensphase mit seinen individuellen Vorstellungen, Wünschen und Werten respektiert wird, sein Wille bei Entscheidungen der Versorgung handlungsleitend ist. Ein multiprofessionelles Team aus Haupt- und Ehrenamtlichen handelt nach diesem Grundsatz und unterstützt und entlastet den Betroffenen genauso wie die Familie. Dem Sterben als Teil des Lebens gebührt mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft. Die Verbesserung und Verlässlichkeit der sozialen und gesetzlichen Rahmenbedingungen kann zudem dazu beitragen, Sterbewünschen zu begegnen.

Wie sieht das praktisch aus?
Beispiel aus einer palliativkompetenten stationären Pflegeeinrichtung: Die Vorstellungen und Wünsche der Bewohner*innen für die Versorgung am Lebensende werden frühzeitig in einem behutsamen Gesprächsprozess erfasst und deren Beachtung sichergestellt. Es gibt ein palliatives Versorgungskonzept, palliative Fachkräfte, Seelsorger*innen und ein Ethikkomitee. Die Einrichtung richtet öffentliche Veranstaltungen zum Thema Sterben, Tod und Vorsorge aus. Es besteht eine Kooperation mit einem ambulanten Hospizdienst, der vor Ort ehrenamtliche Hospizbegleiter*innen einsetzt. Zudem wird mit einem besonders spezialisierten Team aus Ärzten und Pflegekräften, einem sog. Palliative Care Team zusammengearbeitet. Die Bewohner*innen können sich darauf verlassen, bis zum Lebensende in der Einrichtung verbleiben zu können und gut versorgt zu werden. Ungewollte Behandlungen und Verlegungen ins Krankenhaus werden durch eine gute Kommunikation aller an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen vermieden. Auf diese Weise kann sowohl dem sterbenden Menschen als auch dessen Zugehörigen ein gelingender Abschied ermöglicht werden. 

Leitsatz 2: Bedürfnisse der Betroffenen – Anforderungen an die Versorgungsstrukturen

Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht auf eine medizinische, pflegerische, psychosoziale und spirituelle Betreuung und Begleitung, die sich an dessen Lebenssituation und dem individuellen Versorgungsbedarf orientiert. Haupt- und ehrenamtliche Helfer arbeiten eng zusammen, um die Betreuung an dem Ort zu ermöglichen, den der sterbende Mensch sich wünscht. Die Versorgungsstrukturen müssen so angepasst und vernetzt werden, dass Menschen unabhängig von Alter, Erkrankung und Ort jeweils Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Versorgung erhalten.

Wie sieht das praktisch aus?
Verschiedene stationäre und ambulante Einrichtungen arbeiten innerhalb regionaler Netzwerke kooperativ zusammen, um eine ganzheitliche Versorgung sicherzustellen. Beim Übergang in ein anderes Versorgungssetting z.B. vom Krankenhaus in die eigene Häuslichkeit wird sichergestellt, dass alle Versorgungsaspekte beachtet werden, die Entlassung gut vorbereitet wird, alle Medikamente und Hilfsmittel vor Ort sind. Ein Versorgungsabriss beispielweise hinsichtlich der Schmerzmittelgabe wird vermieden. Bei alleinstehenden Menschen wird versucht, zusätzlich zu haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen die Nachbarschaft zu aktivieren. Für Probleme im Zusammenhang mit der Versorgung werden kreative Lösungsansätze entwickelt. Es geht darum, den betroffenen Menschen nicht allein zu lassen und sich um ihn zu bemühen, Leiden jeder Art zu lindern und Belastungen erträglicher zu machen.

Leitsatz 3: Anforderungen an die Aus-, Weiter- und Fortbildung

Jeder Mensch hat das Recht auf eine angemessene, qualifizierte Versorgung durch ein multiprofessionelles Team. Die in der palliativen Versorgung Tätigen müssen daher Zugang zu entsprechenden Qualifizierungsmöglichkeiten haben, um ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erhalten, zu erweitern und eine reflektierte Haltung zu entwickeln. Um sich auf die Bedürfnisse des Betroffenen und seines Umfeldes zu fokussieren bedarf es der Bereitschaft, sich mit der eigenen Sterblichkeit sowie ethischen und spirituellen Fragestellungen auseinanderzusetzen.

Wie sieht das praktisch aus?
Pflegerische und medizinische Teams im ambulanten oder stationären Setting qualifizieren je nach Spezialisierung des Tätigkeitsbereiches einzelne oder alle Mitarbeiter*innen im Bereich Palliative Care bzw. Palliativmedizin, freiwillig oder gesetzlicher Vorgaben gemäß.

Einrichtungen und Dienste, die schwerpunktmäßig Schwerstkranke und Sterbende versorgen, arbeiten grundsätzlich nach einem palliativen Konzept. Aber auch andere Einrichtungen wie Pflegeheime und ambulante Pflegedienste, die zu einem großen Teil ältere und hochaltrige Menschen mit chronischen und/ oder lebenslimitierenden Erkrankungen betreuen, sollten ein palliatives Konzept und entsprechend weitergebildete Mitarbeiter*innen haben.

Mitarbeitende aller Berufsgruppen, von der Hauswirtschaftskraft bis zur Geschäftsführung, sollten mit den Grundlagen palliativ-hospizlicher  Versorgung vertraut sein. Dazu gehört eine reflektierte und annehmende Haltung gegenüber dem Thema und vor allem dem sterbenden Menschen. Kennzeichen einer vollständig implementierten Hospizkultur: jede*r Mitarbeiter*in ist von Bewohner*innen oder Angehörigen ansprechbar zu diesem Thema und kann die Palliativ-Experten in der Einrichtung einbinden.

Die Diakonische Fort- und Weiterbildungsakademie (DFA) bietet umfangreiche palliative Qualifizierungen und Fortbildungen für verschiedene Berufsgruppen an. Alle ambulanten Hospizdienste schulen ehrenamtliche Hospizbegleiter*innen und führen Kurz-Fortbildungen zu palliativen Themen in Einrichtungen durch. Vielfach vermitteln Hospizkoordinator*innen auch Grundlagen zur Begleitung und Versorgung sterbender Menschen für Laien im Rahmen der Hamburger Angehörigenschule sowie in Letzte Hilfe-Kursen. 

Leitsatz 4: Entwicklungsperspektiven und Forschung

Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht darauf, nach dem allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse behandelt und betreut zu werden. Dazu werden fortlaufend Erkenntnisse zur Palliativversorgung aus Forschung und Praxis gewonnen, transparent gemacht und umgesetzt. Die bestehenden ethischen und rechtlichen Regularien werden dabei beachtet. Es ist wichtig, die Forschung sowie innovative Projekte im palliativ-hospizlichen Bereich zu fördern.

Wie sieht das praktisch aus?
Einrichtungen sowie Interessensverbände evaluieren nicht nur ihre eigene Arbeit und deren Grundsätze, sondern initiieren innovative Projekte und kooperieren bei wissenschaftlichen Erhebungen. Diese Arbeit erfordert zusätzliches Engagement und ein über den Versorgungsalltag hinausgehendes Interesse an den Belangen sterbender Menschen. Das Diakonische Werk Hamburg entwickelt selbst Projekte im palliativen Bereich und steht im Austausch mit verschiedenen Akteuren aus Praxis und Wissenschaft.

Leitsatz 5: Die europäische und internationale Dimension

Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht darauf, dass internationale Empfehlungen und Standards zur Palliativversorgung  in seinem Sinne berücksichtigt werden. Auf nationaler Ebene sollen diese internationalen Standards in die Rahmenkonzepte einfließen und von allen politisch Verantwortlichen gemeinsam formuliert und umgesetzt werden. Der internationale Austausch und die Vernetzung von verschiedenen Organisationen und Forschungsinstitutionen im palliativen Kontext soll systematisch gefördert werden.

Wie sieht das praktisch aus?
Beispiel: Die Einrichtungen der Diakonie nehmen entsprechend ihren Möglichkeiten an nationalen und internationalen Forschungsprojekten teil und entsenden bei Bedarf Personen aus der Praxis in Arbeitsgremien. Sie sind Mitglieder in den entsprechenden Interessensverbänden und kooperieren mit weiteren Initiativen und Netzwerken.