„Die Lage für Wohnungsnotfälle ist und bleibt dramatisch“, sagt Landespastor Dirk Ahrens, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Hamburg. „Die Halbzeitbilanz des rot-grünen Senats in diesem wichtigen Bereich fällt enttäuschend aus. Und Besserung ist derzeit nicht in Sicht“. Im Namen des Hamburger Bündnisses für eine neue soziale Wohnungspolitik fordert Ahrens einen echten Neustart bei der Bekämpfung der Wohnungsnot gerade der Menschen, die es besonders schwer haben.
Mehr Wohnungen mit WA-Bindungen
Für diese Gruppe sind bestimmte Wohnungen vorgesehen, Wohnungen mit sogenannter WA-Bindung (WA steht für Wohnungsamt). „Doch davon gibt es zu wenig“, sagt Katrin Brandt von STATTBAU HAMBURG aus dem Bündnis für eine neue soziale Wohnungspolitik. „Und trotz vieler Vereinbarungen und Absichtserklärungen erreicht der rot-grüne Senat hier seine selbst gesteckten Ziele nicht.“ Versprochen hatte der Senat 300 Wohnungen jährlich für „vordringlich Wohnungssuchende“. Tatsächlich gebaut wurden 2021 aber nur: 101. „Zwar wurde das Ziel 2020 mit 360 Wohnungen erfreulicherweise einmal übertroffen“, sagt Brandt. „Doch schaut man auf einen längeren Zeitraum, sind die Zahlen noch dramatischer. Laut Plan sollten jährlich 300 Wohnungen dieser Kategorie gebaut werden, von 2016 bis 2021 also insgesamt 1.800 Wohnungen. Tatsächlich fertiggestellt wurden aber nur 563, also nicht mal ein Drittel!“
Ankauf von Belegungsbindungen erhöhen
Auch bei einem weiteren Instrument zur Erhöhung der Zahl von WA-Wohnungen bleibt der Senat hinter den Ankündigungen zurück, beim Ankauf von sogenannten Belegungsbindungen. Damit werden Umwandlungen von Wohnungen aus dem Bestand gefördert, die anschließend für einen längeren Zeitraum mit Wohnungsnotfällen belegt werden können. „Die jährliche Zielzahl liegt bei 200 Wohnungen“, sagt Brandt. „Die erreichte Zahl lag 2020 bei 86 Wohnungen, 2021 bei nur 36.“
Längere Sozialbindungen
Michael Edele, Bereichsleitung Soziale Wohnraumversorgung der Behrens-Stiftung: „Uns macht große Sorgen, dass nicht nur die geplanten Zahlen neuer Wohnungen für Notfälle nicht erreicht werden. Sondern dass auch der Gesamtbestand an Wohnungen, der für diese Notfälle zur Verfügung steht, ständig schrumpft.“ Lag die Zahl von Wohnungen mit WA-Bindung 2019 noch bei 35.118, waren es 2021 nur noch 32.153. Edele: „Der Grund dafür ist, dass Wohnungen aus der Bindung fallen und damit wieder in den allgemeinen Wohnungsmarkt kommen.“ Bis 2031 werden voraussichtlich die Bindungen von rund 22.000 Wohnungen auslaufen.
Drei Punkte für einen Neustart
Für einen Neustart in der Versorgung von Wohnungsnotfällen sieht das Bündnis für eine neue soziale Wohnungspolitik drei besonders wirksame Ansatzpunkte:
- Erhöhung des Anteils des sozialen Wohnungsbaus auf mindestens 50 Prozent (statt „Drittel-Mix“). Davon wiederum sollte ein Viertel für vordringlich Wohnungssuchende errichtet werden.
- SAGA konsequent sozial ausrichten: Jede zweite Neuvermietung des kommunalen Wohnungsunternehmens SAGA an vordringlich Wohnungssuchende. Damit können jährlich zusätzlich bis zu 2.500 Wohnungsnotfälle versorgt werden.
- Liegenschaftspolitik und Grundstücksverkäufe sozial ausrichten: Bei Konzeptausschreibungen und bei jedem Grundstücksverkauf der Stadt sollten bei Vorhaben ab 20 Wohnungen mindestens 50 Prozent geförderte Wohnungen und davon ein Viertel für vordringlich Wohnungssuchende vorgesehen werden.
Landespastor Dirk Ahrens: „Die Zahl der unversorgten Wohnungsnotfälle ist in den letzten Jahren immer weiter angestiegen, auf zuletzt rund 13.000 Haushalte. Gleichzeitig erreicht die Stadt ihre Ziele bei der zusätzlichen Schaffung von Wohnungen für diese Notfälle nicht – nein, ihre Zahl sinkt sogar. Daher ist es aus unserer Sicht an der Zeit, dass neben wohlklingenden, aber nicht verbindlichen Worten auch klare und starke Vorgaben gemacht werden, die tatsächlich die Versorgung von Wohnungsnotfällen im Bestand und beim Neubau schnell verbessern. Wir brauchen jetzt einen echten Neustart.“
Hintergrund
Menschen, die dringend auf eine Wohnung angewiesen sind und allein nicht in der Lage sind, eine Wohnung zu finden, werden durch die Bezirke als „vordringlich Wohnungssuchende“ anerkannt. Dies können sein:
- Personen, die eine barrierefreie Wohnung benötigen,
- Haushalte (insbesondere mit Kindern) in sehr beengten Wohnverhältnissen,
- von Gewalt betroffene Personen,
- Personen, die aus sozialen und / oder therapeutischen Einrichtungen der Eingliederungs-, Behinderten- oder Jugendhilfe entlassen werden sollen, oder
- von Wohnungslosigkeit bedrohte oder betroffene Personen.
Das Bündnis für eine neue soziale Wohnungspolitik ist ein Zusammenschluss von Diakonischem Werk Hamburg, STATTBAU HAMBURG, Behrens-Stiftung Hamburg und Mieter helfen Mietern. Das Bündnis setzt sich seit 2016 für eine bessere Versorgung vordringlich wohnungssuchender Menschen ein. Mit der Kampagne #einfachwohnen machte das Bündnis vor der Bürgerschaftswahl 2020 auf die dramatische Situation bei den Wohnungsnotfällen aufmerksam und legte mehrfach Vorschläge für wohnungspolitische Maßnahmen vor.
Für inhaltliche Fragen stehen Ihnen gern Stephan Nagel (Diakonisches Werk Hamburg) unter Telefon 040 30620-221 und Katrin Brandt (STATTBAU HAMBURG) unter Telefon 040 43 29 420 zur Verfügung.